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20 Jahre und kein bißchen leise
MIKROGEN feiert erstaunliches Firmenjubiläum

Eine der ältesten Biotechnologiefirmen in München feierte in diesem Jahr das 20-jährige Gründungsjubiläum. Bitte nochmal genau lesen: 20 Jahre! Dies ist dann schon ein Anlass die Firma Mikrogen und ihre Gründerväter angemessen hochleben zu lassen, was wir an dieser Stelle gerne mit einer sehr persönlichen geschichtlichen Betrachtung der Unternehmensentwicklung tun wollen.

Gleich an dieser Stelle möchten wir Dominik Müller vom "Münchner Merkur" danken, der dieses Interview Anfang Juni geführt hat und uns erlaubte, es in unseren Newsletter einzubauen.

 

Als Erwin Soutschek und Manfred Motz (siehe Fotos v.l.n.r.) 1989 ihre Forschertätigkeit an der Ludwig-Maximilians-Universität in München aufgaben, um ein eigenes Unternehmen zu gründen, waren sie 30 Jahre alt und ihr Fach Biotechnologie kaum bekannt. Startkapital erhielten sie nur spärlich. Heute erzielen die beiden promovierten Mikrobiologen mit ihrer Firma Mikrogen in Neuried im Süden Münchens einen Jahresumsatz von elf Millionen Euro und beschäftigen 130 Menschen. Mikrogen stellt Tests her, mit denen schwere Krankheiten nachgewiesen werden können wie Borreliose, Pfeiffersches Drüsenfieber oder Hepatitis. In den kommenden fünf Jahren soll der Umsatz verdoppelt werden. Erwin Soutschek spricht im Interview über zusammengeschraubte Möbel, falsche Börsenphantasien und die Gefahr von schnellem Geld.

   Sie waren 1989 mit die ersten Wissenschaftler hierzulande, die ein eigenes Unternehmen aus der Universität ausgründeten. Und das in der Biotechnologie, einer völlig neuen Branche. Wer hat Ihnen Geld gegeben?

Soutschek: Unser Startkapital war nicht hoch: 1,1 Millionen D-Mark. 75 Prozent davon kamen aus einem Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums. Die anderen etwa 250 000 D-Mark mussten wir irgendwo anders herbekommen. Wir selbst waren junge Universitätsmitarbeiter und hatten kaum Geld. Wir haben einen Professor überreden können, der uns einen substanziellen Betrag gegeben hat. Und wir haben Freunde und Familie gefragt, ob sie uns etwas dazugeben.

  Und die haben das tatsächlich getan?

Soutschek: Naja, aus der Richtung haben wir nicht wirklich viel bekommen. Die Stadtsparkasse München hatte uns aber noch einen Kredit gewährt. Und so erhielten wir die Fördergelder – immer vierteljährlich in Teilbeträgen ausgezahlt. Davon haben wir uns dann auch unsere Gehälter bezahlen können. Das waren anfangs 3000 Mark im Monat – etwa so viel, wie wir vorher an der Uni verdient hatten.

   Nicht gerade üppig für Unternehmer. . .

Soutschek: Wir haben sehr einfach angefangen. Unser Besprechungstisch war von Ikea. Unsere Labormöbel haben wir teilweise selbst zusammengeschraubt. Wir haben immer nur das gekauft, was unmittelbar notwendig war.

   Offenbar keine schlechte Strategie. Sie haben schon zwei Jahre nach der Unternehmensgründung Gewinn gemacht.

Soutschek: Wir sind von Anfang an angehalten worden, möglichst schnell Geld zu verdienen. Wir haben deshalb allerlei Dienstleistungen für andere Firmen übernommen. Unser eigentliches Projekt war aber die Entwicklung eines HIV-Tests, der zuverlässiger und billiger sein sollte als die herkömmliche Methode.

   Der Test ist nie auf den Markt gekommen. Warum ist dieses Projekt gescheitert?

Soutschek: Solche Diagnostika unterliegen ähnlichen Zulassungsverfahren wie Medikamente. Die Zulassungsbedingungen für den HIV-Test, an dem wir gearbeitet hatten, sind damals erheblich erschwert worden. Der nötige Aufwand stieg dadurch immens. Das war für ein kleines Unternehmen wie uns nicht zu bewältigen. Deshalb haben wir das Projekt auf Eis gelegt.

   Das dürfte für das junge Unternehmen eine herbe Enttäuschung gewesen sein.

Soutschek: Ja, das war ein Rückschlag. Aber wir haben stattdessen einen Test für Borreliose, eine Erkrankung, die von Zecken übertragen wird, entwickelt. Das ist heute noch unser wichtigstes Produkt.

   Einige Jahre später hätten Sie sich für ein Projekt wie den HIV-Test vielleicht Geld bei Wagniskapitalgebern oder an der Börse besorgen können. Ärgert Sie das im Rückblick?

Soutschek: Wir waren gezwungen, mit wenig Geld auszukommen. Das hat aber auch positive Seiten. Unser Wachstum ist immer aus selbst generiertem Gewinn finanziert worden. Die Firma gehört uns Gründern noch immer zu hundert Prozent. Manchem anderen Unternehmen hätte unser Weg vielleicht gut getan. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Die Firma, die als Vormieter in unseren jetzigen Geschäftsräumen war, hatte viele Millionen Euro von Investoren bekommen. Die haben das ganze Gebäude ausgestattet und die teuersten Labormöbel angeschafft, die man kaufen kann. Die haben dieses ganze Geld ausgegeben für ein mögliches späteres Wachstum. Irgendwann waren sie insolvent. Die hatten einfach zu viel Geld auf einmal bekommen.

   Hat es Sie während des Börsenbooms vor zehn Jahren nicht auch gejuckt, auf einen Schlag mehrere Millionen bei Investoren einzusammeln?

Soutschek: Wir haben uns schon mit dem Thema beschäftigt. Aber wir haben sehr schnell gelernt, dass das nicht unsere Welt war. Wagniskapitalgeber oder die Börse wollten immer eine Investment-Story haben. Wir wurden damals gefragt: Wo ist bei Euch die Geschäftsphantasie? Sprich: Kann man bei Euch 100 000 Euro einsetzen und fünf Millionen rausbekommen? Da haben wir gesagt: So eine Phantasie können wir nicht bieten. Wir können 15 bis 20 Prozent Wachstum jedes Jahr bieten. Aber das fanden alle langweilig. Das hat keinen Banker interessiert, keinen Wagniskapitalgeber, niemanden. Einer kam mal zu mir und hat gesagt: „Das ist ja wie in der Nähmaschinenbranche bei Ihnen.“ So ähnlich ist es ja auch, wir sind ein normales mittelständisches Unternehmen. Manche Firma ist damals wahrscheinlich von Investoren gezwungen worden Phantasien aufzubauen, an die die Gründer selbst nicht geglaubt haben. So etwas haben wir uns nicht antun müssen, weil wir damals schon gut profitabel waren.

   Und nach dem Börsencrash?

Soutschek: Da kamen diese Leute dann wieder und wollten sich gern bei uns einkaufen. Aber zu dieser Zeit haben wir das nicht gebraucht. Es war für uns kein Dogma, nicht an die Börse zu gehen oder kein Wagniskapital hereinzuholen. Es hatte sich einfach nicht ergeben. Für die Zukunft kann das aber eine Option sein. Gerade, wenn man etwas Neues angehen will.

   In Zeiten der Finanzkrise dürften sich die Investoren aber rar machen, oder?

Soutschek: Momentan bekommen wir ohne Ende Angebote von Investoren, die sich bei uns engagieren wollen. Interessanterweise wird dabei jetzt unser konservatives Geschäftsmodell in den Vordergrund gestellt.

   Kommt Ihr HIV-Test also doch noch irgendwann auf den Markt?

Soutschek: Ja, wir haben dieses Projekt jetzt wieder hervorgeholt. Dieses Produkt ist immer noch aktuell. Es gibt nach wie vor einen Markt dafür. Und jetzt können wir das selbstständig stemmen. Wir hoffen auf die Markteinführung im kommenden Jahr.

  

Interview: Dominik Müller,
erschienen im "Münchner Merkur" vom 6.6.2009, mit freundlicher Genehmigung.

www.merkur-online.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 


27.07.2009
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