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Nordbayern zieht BigPharma an
Cellmed aus Alzenau gelingt großer Deal mit AstraZeneca
Kurz vor Weihnachten haben Sie vielleicht eine Meldung vorbeiflitzen sehen, dass AstraZeneca einen Deal mit der englischen Firma Biocompatibles International plc. eingegangen ist, rings um ein Mittel gegen Diabetes. Volumen: € 8 Millionen upfront und bis zu € 320 Mio. an Meilensteinzahlungen, wenn alles gut geht. Was hat das mit uns hier in Bayern zu tun? Das hier verpartnerte Produkt wurde im aller nordwestlichsten Bayern bei der Firma Cellmed in Alzenau entwickelt, die nicht nur dieses, sondern auch noch andere interessante Projekte schon weit vorangetrieben hat und direkt von dem Deal mit AstraZeneca profitiert.

Wir haben mal beim Vorstand, Olaf Althaus, nachgefragt.

BioM: Sehr geehrter Herr Althaus, wir gratulieren Ihnen und Cellmed zu dieser erfreulichen Vereinbarung mit AstraZeneca! Da wir Münchner uns eigentlich immer für den Nabel der Welt halten, erklären Sie uns doch bitte: Wie ist denn das weltweit 6.-größte Pharmaunternehmen ausgerechnet bei Ihnen im nordwestlichsten Bayern gelandet?

Althaus: Wir sind hier in Alzenau lediglich 30 Fahrtminuten vom Frankfurter Flughafen entfernt und machen von diesem Standortvorteil regen Gebrauch. Das Produkt haben wir in Europa, den USA und in Japan auf sog. Partnering-Konferenzen vorgestellt, mit einigen Big Pharmafirmen verhandelt und uns schliesslich für AstraZeneca entschieden, weil die für uns das attraktivste Paket geschnürt haben.

BioM: Wenn ich es richtig verstanden habe, dreht sich die Vereinbarung mit AstraZeneca um die Weiterentwicklung des Glucagon Like Peptide (GLP-1) oder eines Analogon, das von CellMed entwickelt wurde. Dieses soll sowohl im Kampf gegen Diabetes als auch bei Schlaganfallpatienten zum Einsatz kommen. Hat AstraZeneca für beide Einsatzgebiete eine Lizenzoption?

Althaus: Das Kerngebiet der CellMed war von Gründung an die Entwicklung von mesenchymalen Stammzellen, die in immunisolierter Form dem Patienten injiziert werden, um dann im Körper bestimmte Proteine über Wochen oder Monate in therapeutischen Dosen zur Verfügung zu stellen. Klinisch wird diese CellBeads® genannte Technologie erstmals in einer Studie zur Behandlung des Schlaganfall am INI (International Neuroscience Institute) in Hannover aber z.B. auch in Erlangen eingesetzt. Das therapeutisch wirksame Peptid in dieser Studie ist zwar auch ein GLP-1 Analog, aber diese zelluläre Technologie ist nicht Teil des Deals mit AstraZeneca.

Bei der molekulabiologischen Optimierung dieser Stammzellen haben wir die Entdeckung gemacht, dass unsere Zellen das natürliche GLP-1 produzieren, jedoch eine ebenfalls natürliche, zur Prozessierung in der Zelle zusätzlich notwendige Sequenz, das IP2, nicht abgeschnitten wird. Diese zusätzliche Sequenz bewirkt, dass unser Peptid bei gleicher Bioaktivität eine deutlich höhere Halbwertzeit als das natürliche Peptid besitzt. Durch diesen kleinen Unterschied eröffnen sich für unser Peptid sehr interessante Möglichkeiten. Während wir die anti-apoptotischen Eigenschaften in unserem Stroke-Trial nutzen, fokussiert sich AstraZeneca zunächst auf Diabetes 2 und Obesity. Hierfür wird die CellMed insgesamt 4 verschiedene klinische Studien durchführen.

BioM: Wieviel der upfront-payments, der Meilensteinzahlungen oder auch gar der Erlösbeteiligungen werden (einst) nach Alzenau gehen? Können Sie uns da etwas über Ihr Firmenkonstrukt aufklären?

Althaus: Mein Gründungspartner und Vorstandskollege, Dr. med. Peter Geigle, und ich waren im Jahr 2005 in der glücklichen Lage, zwischen einem Finanzinvestor und einem strategischen Partner wählen zu können. Die Frage war, ob wir eine größere VC-Runde machen oder aber unsere Aktien an die in London börsennotierte Biocompatibles International plc. veräussern. Wir haben uns gemeinsam mit unseren Mitgesellschaftern für letzteres entschieden und damit praktisch, ohne eine weitere Verwässerung und hohe Kosten zu verursachen, den IPO unserer Gesellschaft vollzogen. Da Peter und ich die größten Einzelaktionäre im Management unserer Gruppe sind, haben wir signifikanten Einfluss auf die Strategie des Unternehmens. In der Gruppe gibt es eine klare Arbeitsteilung da unser britisches Kollegium weitgehend aus Chemikern besteht und die CellMed das biotechnologische Potenzial der Gruppe darstellt. Das GLP-1 Projekt wurde in Alzenau geboren, der Vertrag mit AstraZeneca von uns verhandelt und auch die Entwicklung wird unter unserer Federführung in Kooperation mit AstraZeneca durchgeführt werden.

BioM: In „Personen gerechnet“: werden Sie neue Mitarbeiter benötigen, um die Weiterentwicklung von GLP-1 am Standort Nordwest-Bayern durchführen zu können?

Althaus: Wir beschäftigen an unserem Standort zur Zeit 35 hochqualifizierte Mitarbeiter. Durch das Projekt mit AstraZeneca werden wir in diesem Jahr weiter wachsen. Aber auch unser Projekt mit der Merz Gruppe in Frankfurt – ein sog. Dermal Filler für die Anwendung in der Ästhetik - ist sehr erfolgreich und wird aufgrund des in diesem Jahr stattfindenden Markteintritts weitere Stellen generieren. Wir haben bislang jeden Mitarbeiter, den wir einstellen wollten, bekommen – das Rhein-Main-Gebiet ist für unsere Mitarbeiter, die aus allen Regionen Deutschlands kommen, ein attraktives Umfeld,

BioM: Wie geht es mit anderen CellMed-Projekten weiter? Sie verfolgen auch eine Schlaganfalltherapie mit Hilfe von Stammzellen. Wie ist dort der Stand?

Althaus: Die Phase 1/2-Studie im Schlaganfall (genauer gesagt Intracerebral Hemorrhage oder raumgreifende Hirnblutung) hat uns ein sehr großes Medieninteresse beschert. Immerhin ist es die weltweit erste Studie im ZNS bei der gentechnisch veränderte mesenchymale Stromazellen in der Therapie eingesetzt werden. Wir haben bislang 3 Patienten rekrutiert und wollen in diesem Jahr noch 17 weitere behandeln um dann bei erfolgreicher Datenlage die nächste Phase zu starten.

Das Material, das wir zur Immunisolierung verwenden, wird hier am Standort produziert und bietet aufgrund seiner hervorragenden Biokompatibilität weitere Anwendungsmöglichkeiten. Das Dermal Filler Projekt wird nach erfolgtem Markteintritt in Europa auch für den US-amerikanischen Markt vorbereitet. CellMed war nicht nur für die Entwicklung dieses Produkts verantwortlich, sondern wird auch langfristig die Produktion der Präparate hier am Standort durchführen. Unser Partner Merz Pharmaceuticals hat in 2005 eine Vertriebslizenz erworben, und Ende 2008 einen weiteren Vertrag unterzeichnet, der die Finanzierung des Upscales dieser Produktionskapzität sicherstellt.

Ein weiteres Produkt der CellMed ist ein diagnostisches System mit dem man in Sekundenschnelle den Hb-Wert im Blut bestimmen kann. Dieses Produkt haben wir in 2003 mit Fresenius verpartnert. Dabei ist unser Geschäftsmodell zum ersten Mal in die Tat umgesetzt worden: Fresenius hat uns „upfront“ die Entwicklungskosten finanziert und wurde nach erfolgter Marktzulassung im Jahr 2004 von uns mit dem Produkt beliefert. Wir haben dieses Projekt damals betrieben, um die Firma, die ja ansonsten eher auf der F&E Seite zu finden ist, von Anfang an auch auf Kundenorientierung auszurichten. Das Produkt ist sehr erfolgreich und finanziert inzwischen einen Gutteil unserer F&E-Kosten.

BioM: Nun zum eher lokalpatriotischen Teil: Ihre Beziehungen zu Hessen und dem Frankfurter Forschungs- und Produktionsstandort scheinen seit der Firmengründung nicht abgekühlt zu sein – sind Sie auch zu bayerischen Standorten gut vernetzt? Wo könnten Sie sich noch engere Kooperationen mit den anderen Unternehmen oder auch Wissenschaftsstandorten der Biotechnologie in Bayern vorstellen?

Althaus: Die CellMed hat erheblich von der Förderung im Rahmen der High-Tech-Initiatve des Freistaates profitiert. Diese Förderung zusammen mit der Finanzierung durch private Investoren hat die Entwicklung in der Start-Up Phase der Firma überhaupt ermöglicht. Insofern sind wir dem Freistaat Bayern und seinen hervorragenden Netzwerken sehr verbunden.

Da ich selbst vor der Gründung der CellMed viele Jahre in Frankfurt als Investmentbanker gearbeitet habe, bestehen sehr gute Kontakte in das benachbarte Hessen. Wir bedienen uns vor allem der professionellen Infrastruktur in Frankfurt, haben aber auch mit diversen Firmen und Klinikern zu tun. Wir fühlen uns, wie gesagt, in der ganzen Welt zuhause, konzentrieren uns aber vorwiegend auf unsere Arbeit hier am Standort.

Der Bayerische Untermain ist ein hervorragender Standort für Hightech-Unternehmen. Einzig unsere Heimatgemeinde Alzenau ist bisher mit seiner Unterstützung etwas spärlich gewesen. Hier scheint es sehr schwierig zu sein, uns Wachstumsperspektiven zu geben, die wir brauchen. Aber es wäre schon schade, wenn die Früchte anderen Regionen zufallen. Wir werden sehen.

BioM: Als Koordinierungsstelle für das bayerische Biotech Cluster unterstützen wir Sie gerne dabei. Für die weitere Firmenentwicklung wünschen wir Ihnen den besten Erfolg!

29.01.2009
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